Wie ich wurde, was ich bin

Ein Beitrag zu meiner eigenen Blog-Parade: „Beruf kommt von Berufung?

Gleich vorweg: Ein guter Ratgeber bin ich nicht. Ich musste lange, sehr laaange suchen, bis ich endlich herausgefunden habe, was ich will. Dabei wäre es so einfach gewesen…

Wenigstens eines wusste ich tatsächlich schon seit Kindertagen, nämlich dass ich gern schreibe. Diese Vorliebe habe ich auch beibehalten. Allerdings wusste ich damit beruflich nichts anzufangen. Autorin werden? –Ach nee, dazu fehlte mir die Fantasie. Dann schon eher Journalistin.

Also habe ich Journalistik studiert – und musste leider feststellen, dass man da gar nicht so viel schreibt, schon gar nichts Persönliches. Man soll ja schließlich objektive Berichte verfassen, am besten fürs Fernsehen, denn – das lernte ich tatsächlich schon 2002: der Printjournalismus befinde sich in den letzten Atemzügen. Dem Internet gehöre stattdessen die Zukunft, doch dort sei die Zahlbereitschaft der Leser so gering, dass man als Journalist nicht von seinen Texten leben könne.

Stattdessen sollte man es lieber beim Fernsehen versuchen. Aber mir ging es ja ums Schreiben… Die Medien allgemein interessierten mich gar nicht so richtig. Ich betrachtete mein Studium als Sackgasse, zog es aber trotzdem durch, weil ich schon damals wusste, wie wichtig den Deutschen Abschlüsse und Zeugnisse sind.

 

Innerlich aber kehrte ich dem Journalismus den Rücken zu. In meinen Augen war dort nichts zu holen. Wie also weiter? Außer schreiben konnte ich nicht viel. Ich versuchte mich mal in diesem, mal in jenem Job, fand aber nirgends so richtig Zugang, wobei ich zugeben muss, dass meine Ansprüche „damals“ noch sehr hoch waren.

Im Nachhinein ist mir bewusst geworden, dass ich mich hätte besser informieren sollen, in welchen Berufen man viel schreibt und das möglicherweise auch kreativ. So wäre ich auf eine größere Anzahl von Berufen gestoßen und hätte mich vielleicht für einen anderen Bildungsweg entschieden. Ich hätte bspw. auch in die Forschung gehen und Forschungsberichte schreiben können.

Manchmal frage ich mich aber auch ernsthaft, ob es nicht besser gewesen wäre, meine Liebe fürs Schreiben einfach als solche zu betrachten: eine Liebe. Vielleicht wäre meine Berufswahl für mich befriedigender ausgefallen, wenn ich nicht versucht hätte, sie monetarisieren zu wollen. Stattdessen hätte ich einen Beruf erlernen können, der mit meiner Liebe wenig zu tun hat, dafür aber andere Vorteile bietet. Geld zum Beispiel.

Nach zahlreichen Umwegen und verstärkter Ratlosigkeit (entgegen der Annahme, man werde immer klüger mit zunehmendem Alter, kommt es mir so vor, als würde ich nur immer verwirrter) bin ich nun doch zum Journalismus zurückgekehrt, wenn man das, was ich so mache, überhaupt Journalismus nennen kann.
Eigentlich bin ich nur Content-Schreiber und gehöre damit zu einem ganzen Heer. Ein Heer, das im Namen der Suchmaschinenoptimierung mit Keywords gespickte Texte verfasst. Wir liefern unique content für die unterschiedlichsten Webseiten – von dem Sportwarenshop bis zum Anbieter von Haartransplantationen.

„Das Schreiben bedeutet unseren Autoren Spaß und Genuss“ wirbt Textbroker, der Dienstleister, der Schreiberlinge und Webseitenbetreiber zusammenbringt. Und weil dem so ist, schreiben sie gern für umme – oder fast. Ihr merkt, was die Bezahlung angeht, bin ich äußerst unzufrieden.

Ich lese gerade mal wieder Richard Sennett, meinen Lieblingssoziologen aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Er schreibt, dass Unternehmen aus dem Westen ihre Produktionsstätten (ganz oder teilweise) nicht nur deshalb in Billig-Lohn-Länder verlagern, weil die Löhne eben niedrig sind. Nein, ihr neues Personal ist überdies hochqualifiziert. Er nennt als Beispiel die Angestellten der indischen Call-Center, die über Universitätsabschlüsse verfügen und mindestens zwei Sprachen auf höchstem Niveau beherrschen. –Und trotzdem für einen Hungerlohn arbeiten. Da können wir Westler nicht mithalten.
Außer im Journalismus.

Nun denn, ich betätige mich ja auch noch als Webmaster und Blogger …und warte darauf, dass Zeitarbeiterin supererfolgreich wird, damit ich es mit Werbebannern zuballern und so Millionen verdienen kann ;)))

2 Gedanken zu “Wie ich wurde, was ich bin

  1. hab irgendwie von gofeminin hierher gefunden, tehma zeitarbeit.
    a. bin ich mit dem system zeitarbeit zufrieden, nur die ausführung bedarf verbesserung. d.h. abschaffung des arbeitsamtes als angeblicher job-vermittler und wegfall von vermittlungsgutscheinen usw.

    b. die zeiten sind vorbei in denen man 30-40 jahre in einem beruf beim selben unternehmer gearbeitet hat. das geht nur bei behörden oder städtischen betrieben. warum also nicht auf einen service zurückgreifen den das arbeitsamt eigentlich erledigen sollte (von steuern bezahlt) aber nicht macht?

    c: als journalist muss man sich auf themengebiete spezialisieren und auch in diesem themengebiet selbst dann so fit sein daß die eigene meinung ein gewicht hat. schreiben sie doch über lautsprecherbau. oder modelleisenbahnen. oder über zeitarbeit. aber dann bitte so daß sie nicht nur wiederholen was man schon kennt oder womit einschaltquoten steigen. werden sie doch dr.sommer-team-mitglied.

    ich dachte damals auch ich lern einfach was, dann kann ich das, und dann wird schon alles laufen. aber nein, so ist es nicht. es ist ein kampf. warum? zuviel arbeitszeitstunden pro person. einegesetzliche festlegung auf 30h-wochen mit gleichzeitigem abbau der lohnnebenkosten (ein ag zahlt den lohn in brutto, und den lohn in brutto x1,5fach drauf für abgaben an staat, innung, berufsgenossenschaft, iso-zertifikate, zertifikate vom arbeitsamt, gebühren für tarifverträge usw).

    aber so lange der staat und so ziemlich jede behörde, und jede behördenähnliche einrichtung die hand aufhält nur weil man einen mitarbeiter beschäftigen will, wird sich an der situation nix ändern.

    die änderungen müssen also auf politischer ebene passieren. da kann man jammern wie man will.

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    • Lieber Oliver,
      deine vielen Ratschläge sind mit Sicherheit begründet, gehören aber tatsächlich eher ins Forum von gofeminin. Weil ich nicht zensiere, lasse ich deinen Beitrag jedoch stehen.
      Dies ist kein Kummerkasten, sondern mein Blog. Falls du dich wieder einmal in die Blogger-Szene verirren solltest, lautet mein Tipp: erst lesen, danach kommentieren.
      LG von der Zeitarbeiterin

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